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DIE HÖLLE IST DA - und alle schauen zu

27a. Zwangsverheiratung bei Männern

Auch Männer werden in muslimischen Gesellschaften zu Heiraten gezwungen - und auch hier fehlen die Rechtsmittel

Meldungen

präsentiert von Michael Palomino

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Welt online, Logo

17.1.2011: <Familiäre Unterdrückung: Auch Männer in Berlin werden zur Ehe gezwungen>

aus: Welt online; 17.1.2011;
http://www.welt.de/vermischtes/weltgeschehen/article12206051/Auch-Maenner-in-Berlin-werden-zur-Ehe-gezwungen.html

<Autor: Katharina Miklis

Beim Reizwort Zwangsheirat denken die meisten an das Schicksal junger Mädchen. Aber auch Männer sind betroffen. Ein Fall aus Berlin.

Heute Morgen hat er wieder daran gedacht. Wie es wäre, frei zu sein. Er würde einfach aufstehen und gehen. Für immer. Neben Ahmet Celik* liegt seine Ehefrau. Er liebt sie nicht. Das hat er nie getan. Und trotzdem wird er jeden Morgen aufs Neue neben ihr wach. In einer Ehe, die er nie gewollt hat. Und das seit 24 Jahren.

Ahmet wurde zwangsverheiratet. Nicht in der Türkei, nicht in irgendeinem kleinen anatolischen Dorf, sondern mitten in Deutschland. Der Berliner gehört zu einer kaum bekannten Minderheit. Wie viele Männer genau in Deutschland aus religiösen oder traditionellen Gründen zur Ehe gezwungen werden, darüber gibt es keine offiziellen Statistiken. Fast 30 Männer meldeten sich im vergangenen Jahr bei Berliner Beratungsstellen.

Es ist nur eine Dunkelziffer. Anders als betroffene Frauen reden Männer aus Scham nicht über diese familiäre Unterdrückung. Beratungsstellen speziell für Männer gibt es nicht. Die Schicksale junger Mädchen, die bedroht oder ermordet werden, wenn sie sich dem Willen ihrer Familie widersetzen, sind bekannt. Zwangsverheiratung von Männern ist jedoch kein Thema. Der türkische Mann ist Patriarch und Pascha, vielleicht auch ein gewalttätiger Unterdrücker – aber ein Opfer? Das ist ein Bild, das nicht in die Integrationsdebatte passt.>


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Spiegel online, Logo

5.8.2011: Ehrenmorde gegen Männer: wenn Männer schwul sind, Ehebrecher sind, oder einen Ehrenmord verweigern

aus: Spiegel online: BKA-Studie: Ein Drittel aller "Ehrenmord"-Opfer ist männlich; 5.8.2011;
http://www.spiegel.de/panorama/justiz/0,1518,778249,00.html

<Von Barbara Hans und Johannes Korge

Wird im Namen der "Ehre" gemordet, müssen fast immer Frauen sterben - soweit das Klischee. Doch eine BKA-Studie zeigt: Mehr als 40 Prozent der Opfer in Deutschland sind Männer. Sie werden getötet, weil sie schwul sind, Ehebrecher - oder selbst einen "Ehrenmord" verweigern.

Hamburg - Ibrahim Can, 46, ist Deutscher mit türkischen Wurzeln, gelernter Reiseverkehrskaufmann, Kölner. Seit dem Sommer vor drei Jahren ist er jedoch auch so etwas wie ein Aktivist, vielleicht gar ein Aktivist wider Willen. Can setzt sich für die Rechte Homosexueller ein, seit sein Freund Ahmet in seinen Armen starb, auf einer Straße in Istanbul. Erschossen vermutlich vom eigenen Vater, einem Gemüseexporteur aus Anatolien, er gilt als Hauptverdächtiger.

Ahmet hatte seine Homosexualität öffentlich gemacht, sein Coming-out hatte er gar in einer Zeitschrift beschrieben, bei einem Schönheitswettbewerb war er zum "Mister Bear" gekürt worden. Bären sind besonders behaarte, bärtige Männer. Es war eine Auszeichnung.

Für Ahmets Familie war all das ein Affront, eine Schande. Männer, die Männer lieben - oder zumindest mit ihnen schlafen - das gibt es. Immerhin gilt die Schwulenszene Istanbuls als eine der größten Europas. Aber Männer, die offen schwul leben, sich auch gegenüber ihrer Familie als schwul bekennen, werden häufig verachtet. "Die Familien sehen oft nur zwei Alternativen: Entweder sie zwangsverheiraten den Mann oder sie töten ihn. Keines von beidem ist richtig", sagte Can.

Ahmets Familie bestand darauf, er solle sich therapieren lassen. Irgendwann, so berichtet es Ibrahim Can, habe sein Freund auch Morddrohungen erhalten. Er ging zur Polizei, doch die unternahm nichts um ihn zu schützen. Er starb im Juli 2008 im Alter von 26 Jahren.

Ahmets Geschichte sorgte weltweit für Aufsehen, Can tat alles in seiner Macht stehende, um den Fall, die Ungeheuerlichkeit, publik zu machen. Wenn irgendetwas dem Schweigen, Heucheln und Töten entgegengesetzt werden konnte, dann Offenheit. Er informierte Journalisten und Menschenrechtsorganisationen. Schließlich erreichte er, dass sich ein Istanbuler Kriminalgericht dem Fall annahm.

Ein Mann, getötet im Namen der Ehre. Erst 2009 hat der "Duden" den Begriff "Ehrenmord" aufgenommen, es scheint, als sei das Phänomen erst in den vergangenen Jahren im Bewusstsein westlicher Gesellschaften angekommen. Dass eine Familie versucht, die Kontrolle über die Sexualität einer Frau symbolisch zurückzuerlangen, indem der Clan sie tötet, ist bekannt. Nun zeigt eine Studie im Auftrag des Bundeskriminalamts (BKA), dass ein großer Teil der Opfer sogenannter "Ehrenmorde" Männer sind.

Die Untersuchung von Dietrich Oberwittler und Julia Kasselt analysiert "ehrbezogene Tötungsdelikte" von 1996 bis 2005. Sie ermittelt 109 Opfer, 43 Prozent von ihnen Männer. "Dieser Wert kam auch für uns etwas überraschend", sagte Kriminologe Oberwittler. Eine genauere Analyse habe dann jedoch eine eindeutige Verteilung ergeben.

Besonders hoch war die Quote der männlichen Opfer bei Tötungsdelikten, die in der Grauzone zur Blutrache liegen. Dabei handelt es sich um Fälle, in denen zum innerfamiliären Konflikt eine Fehde mit einer anderen Familie kommt. Von insgesamt 47 männlichen Opfern kamen 16 als Folge eines solchen Grenzfalls zur Blutrache ums Leben.

"Für mich ist diese Zahl nicht fremd", sagt die Buchautorin und Menschenrechtlerin Serap Cileli. "Wenn man Studien aus der Türkei vergleicht, sieht man, dass dort in manchen Jahren mehr Männer als Frauen Opfer eines 'Ehrenmordes' werden."

Drei Motive für "Ehrenmorde" an Männern

Es gibt drei verschiedene Motive, warum ein Mann Opfer eines "Ehrenmordes" wird: weil seine Sexualität nicht den tradierten Wertvorstellungen der Familie entspricht, er beispielsweise offen schwul lebt; weil er derjenige ist, der die "Ehre" einer Frau beschmutzt hat, beispielsweise indem er der Geliebte ist; weil er auserkoren war, einen "Ehrenmord" zu begehen, dies aber ablehnte. In diesem Fall wird der potentielle Täter selbst zum Opfer.

Männer, die Opfer von "Ehrenmorden" werden, sind häufig so etwas wie "Kollateralschäden" der eigentlichen Verbrechen, begangen an Frauen. Sie werden umgebracht, weil sie der neue Freund, der neue Liebhaber, der Vater des unehelichen Kindes einer Frau sind. Tatsächlich stellten die Forscher bei rund einem Viertel der getöteten Männer einen Grenzfall zur Partnertötung fest. Ein Täter richtet nicht nur die Frau, sondern auch einen vermeintlichen oder tatsächlichen Nebenbuhler.

Doch auch im Falle männlicher Opfer gilt: Ein Verbrechen im Namen der Ehre dient der Wiederherstellung von Kontrolle, sie ist Ausdruck der Macht. Die Familie erobert sich den Handlungsspielraum zurück, den sie vermeintlich durch das freizügige Verhalten einer Tochter - oder eines Sohnes - verletzt sieht. Die "Ehre" begründet immer einen Herrschaftsanspruch - egal ob das Opfer ein Mann ist oder eine Frau.

Auch die männlichen Opfer schützen

"In erster Linie ist immer eine Frau das Opfer. Aber auch durch die Tötung eines Mannes kann die Ehre wieder hergestellt werden", sagt Cileli, die mit ihrem Verein "peri" junge Türkinnen unterstützt. "Wir müssen uns fragen: Wie können wir auch die männlichen Opfer schützen?"

Auch bei Fällen sogenannter Blutrache spiele das Ehrverständnis der Familien eine Rolle. "Es geht oft um banale Gründe, 'Deine Kuh war in meinem Feld' - oder ähnliches. Bei einem 'Ehrenmord' geht es dagegen vor allem um die Sexualität der Frau." Zudem müssen Blutfehden nicht immer in einer Tötung gipfeln, sie ist letztlich Ultima Ratio. Beim "Ehrenmord" dagegen kann nur der Tod des Opfers die vermeintliche Schande vergelten.

Während die Studie betont, die Mehrzahl der Täter entstamme bildungsfernen, ländlichen Schichten, erklärt Cileli, die Hälfte der Frauen, die bei "peri e.V." Rat suchten, entstamme gebildeten, gut situierten Familien. Die Eltern sind Geschäftsleute, Restaurantbesitzer. Die Frauen selbst studieren, haben einen guten Schulabschluss.

"Wenn sie reden, erscheinen viele Türken sehr modern, aber in ihrem Kopf sind häufig sehr traditionelle Vorstellungen verankert", sagt Cileli. Die tradierten Wertvorstellungen werden importiert - und häufig in der neuen Heimat konserviert, so bleiben sie über Jahrzehnte erhalten. Beispielsweise die Angst der Familie, die Kontrolle zu verlieren - vor allem über die Sexualität einer Tochter, eines Sohnes.

Ahmets Vater hat sich abgesetzt, vermutlich in den Irak. Bislang gibt es keinen internationalen Haftbefehl. "Das ist Ausdruck des Versagens der türkischen Justiz und der Polizei. Sie haben keinen Willen, den Täter zu fassen", sagt Ibrahim Can. Er kämpft für Gerechtigkeit, für Ahmet, gegen Homophobie in der Türkei. "Wäre ich damals mit auf die Straße gegangen, wäre ich auch getötet worden.">

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Tagesspiegel online, Logo

Berlin 14.8.2018 ca.: Erste Übergangswohnung für zwangsverheiratete Männer in Deutschland
Zufluchtsort in Berlin: Erste Wohnung für zwangsverheiratete Männer
https://www.tagesspiegel.de/berlin/queerspiegel/zufluchtsort-in-berlin-erste-wohnung-fuer-zwangsverheiratete-maenner/22909010.html

<In vielen Ländern ist Zwangsheirat keine Seltenheit. In Berlin gibt es nun auch für betroffene Männer eine Zufluchtswohnung – aber es gibt schon Probleme mit der Miete.

Die Wohnung ist 155 Quadratmeter groß, hat fünf Zimmer, davon eines 40 Quadratmeter groß, und zwei Balkone; sie kostet monatlich 2000 Euro Miete und liegt am Rand von Berlin, irgendwo im Westteil. Das darf jeder wissen, diese Punkte stellen keine Gefahr dar.

Die genaue Adresse schon.

Die Wohnung ist ein Fluchtpunkt, Rettung für Menschen, die von Zwangsheirat oder wegen ihrer sexuellen Identität von Gewalt im Namen der Ehre bedroht sind. In bestimmten muslimischen Ländern ist Zwangsheirat für Männer keine Seltenheit. Vor allem wenn bekannt ist, dass sie homosexuell sind, werden sie davon bedroht. Homosexualität gilt bei vielen muslimischen Familien als Sünde und Schande. Deshalb ist die Adresse streng geheim. Eine Wohnung, die in Deutschland einmalig ist: formal eine Rettungsinsel für alle gefährdeten homo-, bi- und transsexuellen Menschen. In der Praxis aber werden dort vor allem homo- und bisexuelle Männer und Transsexuelle einziehen. Für sie gibt es in Berlin keine Fluchtwohnungen. Für Frauen gibt es zumindest Frauenhäuser.

Seit Jahren wurde nach einer Wohnung für gefährdete Männer gesucht

„Die Wohnung ist für uns ein Glücksfall“, sagt Christian Meyerdierks, der stellvertretende Vorsitzende des Kreisverbands Spree-Wuhle der Arbeiterwohlfahrt (AWO). Sein Kreisverband dient als Träger der Wohnung, er finanziert seit Mai die Miete. Nur sagt Meyerdierks auch: „Guten Gewissens kann ich diese Miete schon jetzt nicht mehr bezahlen.“

Denn: Die Wohnung steht leer.

Politik und Helfer arbeiten unterschiedlich schnell, das ist das Problem. Und Meyerdierks hat nun, ebenso wie Jörg Steinert, Berliner Chef des Lesben- und Schwulenverbands Deutschland (LSVD), Angst, dass die Wohnung bald für andere soziale Projekte verwendet werden muss. Weil die AWO die Miete nicht mehr bezahlen kann.

Der Vermieter hatte die Wohnung angeboten, sie solle für „soziale Zwecke genutzt werden“. LSVD und AWO griffen gerne zu, seit Jahren schon wird nach einer Wohnung vor allem für gefährdete homosexuelle Männer und Transsexuelle gesucht. Außerdem steht ja im Koalitionsvertrag, dass genau für Opfer von Zwangsheirat und sexueller Gewalt solche Krisenwohnungen eingerichtet würden.

AWO-Kreisverband zahlt Miete noch bis September

Es steht nur nicht drin, wann.

Der AWO-Kreisverband griff bei dem Angebot sofort zu und bezahlt seither die Miete. „Allerdings“, sagt Meyerdierks, „ist das nur bis September möglich.“ Dann geht das Geld aus, und die Wohnung ist weg. Eine Querfinanzierung durch den AWO-Landesverband ist nicht möglich, der hat dafür kein Geld. Und im aktuellen Haushalt der rot-rot-grünen Regierung ist für so eine Wohnung kein Geld eingeplant. Allein die Frage, wer überhaupt für so eine Wohnung politisch zuständig ist, beschäftigte drei Senatsverwaltungen monatelang. „Bei diesem Vorhaben überschneiden sich Handlungsfelder, die in verschiedenen Senatsverwaltungen mit ihren jeweiligen Förderprogrammen und Finanzierungsmöglichkeiten angesiedelt sind“, teilt Michael Reis, Pressesprecher der Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung, mit. Endlich ist klar: Justizsenator Behrendt (Grüne) ist verantwortlich.

Und die Miete?

Künftig Unterstützung über Klassenlotterie

Soll jetzt über die Klassenlotterie finanziert werden. „Ursprünglich“, sagt Reis, sollten die Mittel für solche Zufluchtswohnungen „für den Doppelhaushalt 2020/2011 eingeplant werden“. Damit, dass plötzlich so eine Wohnung auf den Markt kommen könnte, hatte offenbar niemand gerechnet. „Die Senatsverwaltung unterstützt die Träger dabei, die Krisenwohnung zunächst als Modellprojekt mit Finanzierung aus Mitteln der (...) Klassenlotterie zu realisieren“, sagt Reis.

Aber noch ist nicht gesichert, dass die Mittel auch fließen, deshalb sind Meyerdierks und Steinert erst mal zurückhaltend. Insgesamt 600.000 Euro haben sie bei der Klassenlotterie beantragt, damit könnte die Wohnung dreieinhalb Jahre finanziert werden. Teil der Gesamtkosten sind die Gehälter für zwei Sozialarbeiter.

Maximal fünf Menschen in der Wohnung

Erst wenn die Lotteriegelder bewilligt sind, dürfen maximal fünf Personen in die Wohnung einziehen. Der Bedarf ist auf jeden Fall da. 2017 haben sich zehn gefährdete Personen beim LSVD gemeldet, 2018 zwei. Sie brauchen dringend Schutz. Bisher wird den Männern und Transsexuellen schnellstmöglich ein Umzug in eine andere Stadt ermöglicht. Der LSVD würde der AWO empfehlen, wer Schutz in dieser Wohnung benötigt, letztlich aber entscheidet dann die AWO.

Aber einen Trost hat Meyerdierks auf jeden Fall. „Andere Projekte der AWO Spree-Wuhle leiden nicht darunter, dass wir im Moment für eine leere Wohnung bezahlen.“ Die Miete kommt aus Rücklagen.>

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