aus:
Ingrid Olbricht: Die Brust. Organ und Symbol weiblicher
Identität; Kreuz-Verlag 1985, Rohwolt-Verlag (rororo)
1989
Kommentar
Wir brauchen ein paar neue Wortschöpfungen, um der
schöpferischen Weiblichkeit auch in der Sprache gerecht
zu werden.
Michael Palomino 2006
Die Patriarchen-Logik in der
Psychologie
Die männliche Psychologie spricht den Frauen lange Zeit
die Seele ab. Die Patriarchen glauben lange, die Frauen
hätten gar keine Seele. Sie glauben an den
"physiologischen Schwachsinn des Weibes" (Paul Möbius
u.a.) (S.12), oder sie setzen die Frau auf ihre
Funktionen herab und behaupten, so sei die Realität
(S.12-13).
Die Patriarchen wollen [seit der Begründung des
Judentums und des "Christentums"] die Frau beherrschen
und das Ungleichgewicht der Macht über die Weiblichkeit
aufrechterhalten, was wiederum viel Kraft kostet:
"Das Aufrechterhalten eines künstlich geschaffenen
Ungleichgewichts kostet stets viel Kraft, Energie und
Anstrengung." (S.13)
Die Patriarchen definieren Frauen nach ihrem Geschmack,
polarisieren gern, bezeichnen sie
-- als "Madonna", die "heilige Mutterliebe"
-- oder abgewertet als "Sexbombe" oder "Hexe" (S.14)
-- oder abgewertet als die dienende Frau, das
"Hausmädchen" oder ein "Prestigeobjekt" (S.15).
Sigmund Freud
-- behauptet, eine Frau sei ein Penis-amputierter Mann,
und die Frau suche sich in kompensativen Handlungen
dauernd einen Ersatz-Penis (S.154)
-- behauptet, die Gebärmutter sei der Sitz der Hysterie
-- behauptet, bei Berührung der "Brusthaut" werde eine
sexuelle Erregung hervorgerufen, die bei der Frau ein
Verlangen nach mehr Sexualität provoziere, und dies sei
ein Problem (S.52).
[Freud merkte nicht: Er selbst war das Problem...]
Die männliche Psychologie
erfindet die Eva aus dem Adam
Die patriarchalische Bibel [1. Buch Mose aus dem
patriarchalen Judentum] behauptet, die Frau stamme vom
Mann ab, und [im "christlichen" Teil der Bibel steht],
die Frau sei dafür geschaffen, den Willen des Mannes zu
erfüllen (1. Korintherbrief, Kapitel 11, Satz 8-9). Alle
Gesetze der "Zivilisation" sind in ihrer Basis nach
diesem Schema der Männer-Herrscher ausgerichtet (S.62).
[Kleine Korrekturen bringen bis heute keine
Gleichberechtigung].
Die patriarchische medizinische
Wortwahl über weibliche Sexualorgane und sexuelle
Vorgänge
"Brust": ist die
indogermanische Wurzel für "Schwellung". Damit
bezeichnet das von der männlichen Wissenschaft
ausgewählte Wort "Brust" eine Pathologisierung ohne
Funktionsbezeichnung. Für die männliche Wissenschaft ist
gemäss der Wortbezeichnung die Brust eine krankhafte
Schwellung (S.45).
"Brustwarze": ist eine
negative Formulierung, denn Warzen sind normalerweise
krankhaft. Das Wort "Brustwarze" ist also eine
Pathologisierung ohne Funktionsbezeichnung (S.45). Das
Wort "Warze" ist absolut negativ (S.108), denn eine
Warze ist etwas Abstossendes, das medizinisch behandelt
werden muss. Das Wort "Brustwarze" bewirkt also Abstand,
Ablehnung und Ekel. Eine Warze in den Mund zu nehmen ist
vom Wortsinn her obszön und pervers (S.109).
[Brustwarzen werden auch "Mamillen" genannt].
"Busen": heisst
eigentlich Tal, eine Bucht, also das Tal zwischen den
Brüsten (S.32).
"Büstenhalter" (BH):
ist eine männliche Formulierung, denn der BH müsste
eigentlich "Brusthalter" heissen. Die prüde Einstellung
zur Sexualität liess bei der Erfindung des BHs aber wohl
keine andere Wortwahl zu (S.32).
Dämlich: Die Worte
"dämlich" und "weibisch" sind absolut herabsetzende
Worte, hergeleitet von "Dame" und "Weib", die beim
Patriarchen dümmliche Tätigkeiten repräsentieren (S.61).
Potenz: "Potenz" heisst
ursprünglich die "biologische Fähigkeit", unabhängig von
der Persönlichkeitsentwicklung (S.131). Die Formulierung
"Potenz" meint Kraft und männliche Macht (S.45), meint
die männliche Fähigkeit zur Zeugung eines Kindes
(S.128). Die Potenz ist wesentliches Element des
Selbstwertgefühlt (S.131). Weibliche Potenz wird in
Lexika nie erwähnt. Die weiblichen Potenzen sind:
-- weibliche Sekrete und Muskelkontraktionen, um dem
Spermium den Wettlauf zur Eizelle zu ermöglichen (S.129)
-- Menstruation (S.133)
-- Stillfähigkeit (S.133).
Weil in der
deutschen Sprache keine Bezeichnung für weibliche Potenz
existiert, kann die Frau kein Verständnis für die
weibliche Potenz entwickeln. Es fehlt ihr damit das
Selbstwertgefühl und die Definition des
Selbstwertgefühlt findet dann immer über den Mann statt
(S.131).
Durch das Fehlen eines Worts für weibliche Potenz werden
auch Probleme der Frauen nicht erkannt. Brustoperationen
bzw. Brustentfernungen haben z.B. schwere seelische
Folgen, weil sie die Potenz der Frau angreifen (S.133).
[Ebenso machen die Wechseljahre psychische Probleme,
wenn die Menstruation schrittweise und zuletzt ganz
ausbleibt].
Die Formulierung "empfangen" weist darauf hin, dass die
Männer die Frau beim Sex absolut passiv sehen (S.130).
Die Bezeichnung "Samen" ist für das Sperma falsch, weil
im Samen alle Anlagen vorhanden sind, im Sperma
nur ein Teil (S.130).
Die männliche Sprache degradiert insgesamt die weibliche
Potenz und Schwangerschaft zum passiven Akt, und für die
Geburt braucht es zu allem Überfluss auch noch männliche
Geburtshelfer. Die Männer sehen die tiefgreifenden
physiologischen Veränderungen der Schwangerschaft nicht
(S.130).
Säugling: Das
Kleinkind ist aufs Saugen reduziert. Alle anderen
Tätigkeiten und Entwicklungen [z.B. die Prägung des
Gehirns durch die ersten Erlebnisse] bleiben beim
Begriff "Säugling" unberücksichtigt (S.109).
"Scham..."wörter: Den
Frauen werden von der deutschen Patriarchen-Logik viel
mehr Wörter mit "Schamhaftigkeit" angedichtet
(Schamhaar, Schamhügel, Schamlippen) als Männern (nur
Schamhaar). Frauen sollen sich also ihrer Sexualität
mehr schämen als Männer. Bei Gleichberechtigung müsste
es also auch Schamröhre (für Penis) oder Schamsack (für
Hodensack) heissen (S.45).
[Der umgekehrte Lösungsweg wäre die Erfindung neuer
Wörter, z.B. "Beinlippen", "Liebesberg" etc.].
Sinus: Das Wort
"Sinus" heisst Busen und weibliche Macht. Die
Formulierung "Sinus" wird aber in der deutschen Sprache
nur noch in der männlich geprägten Geometrie gebraucht.
Der Mann spricht im sozialen Leben der Frau die Macht
schon mit der Wortwahl ab, indem er das Wort "Sinus" für
Frauen nicht mehr verwendet (S.45).
Stillen
heisst wörtlich, das Baby so zu behandeln, dass es still
ist, es stille werden lassen. Das Baby "nähren" wird nie
gesagt (S.108).
Weiblich: Das Wort
"weiblich": kommt abwertend von "Weib". Die
Formulierungen "fraulich" oder "feminin" wären aber noch
negativer belastet (S.60).