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Merkblatt: Pestizide in der Nahrung

Nun wissen Sie, wieso Sie so viel Kopfweh haben, oder wieso das Gemüse nach Pestiziden schmeckt - gesund sind Früchte und Gemüse dann, wenn KEINE Pestizide angewendet werden

Meldungen

präsentiert von Michael Palomino

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Spiegel
                  online

26.3.2008: <Umweltstudie: Rotwein oft mit Pestiziden belastet>

aus: spiegel online, 26.3.2008; http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/0,1518,543553,00.html

<Egal, für wie viel Geld sie über die Theke gehen - Weine aus Deutschland, Italien und Frankreich enthalten häufig Pflanzenschutzmittel. Das hat eine Analyse von Umweltschützern ergeben. Immerhin: Die Pestizidgrenzwerte wurden in keinem Fall überschritten.

Brüssel - In vino veritas - im Wein liegt die Wahrheit. Diesen alten Spruch der Römer hat das Aktionsnetzwerk gegen Pestizide (PAN) wörtlich genommen und 40 verschiedene Rotweine zur Analyse ins Labor geschickt. Ergebnis: In 35 Flaschen wurden Pestizidrückstände entdeckt. Darunter seien fünf als krebserregend oder erbgutverändernd eingestufte Substanzen, heißt es in der am Mittwoch in Brüssel vorgestellten Studie.

In einem Spätburgunder aus Baden wurden sogar Rückstände von zehn verschiedenen Sorten Pflanzenschutzmittel entdeckt - ein regelrechter Pestizidcocktail. Die geltenden Höchstgrenzen wurden allerdings in keinem Fall überschritten. Während die Grünen im Europaparlament schärfere Gesetze forderten, warnten Unionspolitiker vor Panikmache.

Die Untersuchung ergab auch, dass konventionell erzeugte Weine deutlich stärker mit Pestiziden belastet sind als Öko-Weine. Während von sechs untersuchten Öko-Weinen fünf keine Rückstände hatten, waren nach Angaben der Tester in allen 34 untersuchten Weinen aus traditioneller Herstellung Pestizide nachweisbar.

Der Preis spielte dabei keine Rolle: Pflanzengifte fanden sich auch in zwei Flaschen französischen Spitzenweins, die jeweils mehr als 200 Euro kosten. In einem beanstandeten Öko-Wein aus der französischen Bourgogne führten die Tester die Rückstände auf die Verunreinigung angrenzender Felder zurück.

PAN, der Initiator der Weinanalyse, ist ein Netzwerk von weltweit mehr als 600 Organisationen vor allem aus dem Umweltbereich. Es wurde bei der Studie von Gruppen wie Greenpeace Deutschland unterstützt.

"Wahrscheinlich krebserregend"

Bestimmte Pestizide stehen im Verdacht, Krebs zu erzeugen und das Erbgut zu verändern. Dabei gibt es aber noch große Erkenntnislücken. So fanden die Tester in den zehn untersuchten deutschen Weinen aus Rheinhessen, Württemberg oder der Pfalz und auch in den österreichischen Weinen zwar Substanzen, die in den USA als "womöglich" oder "wahrscheinlich" krebserregend eingestuft werden. In der EU gibt es aber bisher keine entsprechende Klassifizierung. In Weinen aus Frankreich, Italien, Chile oder Südafrika waren dagegen Pestizide nachweisbar, die auch nach EU-Einschätzung Krebs erzeugen können.

Weil die Stoffe die erlaubten Grenzwerte nicht überschritten, ist die Tragweite der Studie im Europaparlament umstritten. Die Grünen-Abgeordnete Hiltrud Breyer sprach von "alarmierenden und schockierenden Ergebnissen". Sie forderte schärfere Regeln im laufenden Gesetzesverfahren zum Verbot besonders gefährlicher Pflanzengifte. Die CDU-Europaabgeordnete Christa Klaß warnte dagegen vor falschen Schlussfolgerungen: "Nach bestehendem Gesetz sind die Weine völlig unbedenklich", sagte sie. Sollte es doch Gesundheitsrisiken geben, müsse die EU allerdings über schärfere Zulassungsverfahren nachdenken.

Auch das Pestizidaktionsnetzwerk wollte nicht so weit gehen, Weinliebhabern zum Verzicht zu raten: "Wir können niemandem sagen: Trink keinen Wein mehr", sagte PAN-Mitarbeiter Elliott Cannell. Allerdings seien alle Weinbauern aufgefordert, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln deutlich zu drosseln. Nach PAN-Angaben werden auf Europas Weinstöcken 20 Prozent aller eingesetzten Pestizide versprüht - dabei stehen sie auf gerade einmal drei Prozent der landwirtschaftlichen Anbaufläche.

hda/AFP>

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Spiegel online

21.8.2008: <Lebensmittelstudie: Obst und Gemüse mit illegalen Pestiziden belastet>

aus: spiegel online, 21.8.2008; http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/0,1518,573561,00.html

<Frische Kräuter, Kartoffeln, Himbeeren: Greenpeace hat in deutschen Lebensmitteln illegale und gesundheitsschädliche Pestizide gefunden. In einem neuen Bericht werfen die Umweltschützer dem Bundesamt für Verbraucherschutz schwere Versäumnisse vor.

Die Umweltschutzorganisation Greenpeace hat nicht zugelassene Pestizide in deutschem Obst und Gemüse aufgespürt. Greenpeace wertete Daten des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) aus dem Jahr 2006 aus und verglich sie mit den ebenfalls vom BVL herausgegebenen Zulassungslisten für Pestizide. Ihre Ergebnisse veröffentlichte die Organisation in einem Report.

[Der Pestizid-Report von Greenpeace über die Arroganz der Regierungen ist hier:
http://www.greenpeace.de/fileadmin/gpd/user_upload/themen/umweltgifte/report_illegale_in_d_obst.pdf]

Insgesamt spürte Greenpeace nach eigenen Angaben in den behördlichen Untersuchungsergebnissen 59 verschiedene Substanzen auf, die in Deutschland verboten sind. Drei Viertel dieser illegalen Wirkstoffe gelten als besonders gesundheits- und umweltschädlich. 21 davon seien in der ganzen EU verboten.

In der im Februar 2008 veröffentlichten "Nationalen Berichterstattung zur Lebensmittelüberwachung 2006" hatte das BVL insgesamt 14.942 Lebensmittel aus Deutschland und dem Ausland erfasst. In 6750 Fällen hatten die Proben entweder die Höchstmenge an einem Pestizid überschritten oder einen Cocktail aus mehreren Schadstoffen enthalten.

Von den betroffenen Lebensmitteln kamen 2176 aus Deutschland. Und die hat Greenpeace nun noch einmal getrennt ausgewertet: In 199 Proben fanden sich Rückstände von Pestiziden, deren Verwendung im Jahr 2006 in Deutschland nicht zugelassen war. Die meisten unzulässigen Pestizide fanden sich in frischen Kräutern, Kartoffeln und Himbeeren. In elf Fällen überschritten die Rückstände nicht zugelassener Wirkstoffe die gesetzlich erlaubten Höchstmengen.

Gift auf den Tellern der Verbraucher

Greenpeace ist mit der Arbeit des BVL unzufrieden und erhebt schwere Vorwürfe: "Die ignorieren das Problem einfach", sagte Greenpeace-Chemieexperte Manfred Krautter. "Es ist ein Skandal, dass die oberste deutsche Verbraucherschutzbehörde ihre eigenen Labordaten nicht auf illegale Pestizide untersucht", kritisierte er. So würden schwere Rechtsbrüche der Landwirte verdunkelt anstatt aufgeklärt. Greenpeace weise seit 2005 auf illegale Pestizide hin und habe eine "Schwarze Liste" erstellt.

"Viele deutsche Obstbauern und Landwirte verspritzen illegale und hochgefährliche Pestizide, weil es einfach billiger ist", sagte Krautter. Diese Gifte landeten auf dem Teller der Verbraucher und bedrohten die Umwelt. So seien viele der illegalen Spritzmittel giftig für Bienen.

Die Umweltschutzorganisation fordert von den Bundesländern, Handel und Einsatz illegaler Pestizide wirksam zu unterbinden. Bundesagrarminister Horst Seehofer (CSU) solle künftig die Lebensmitteldaten auch auf illegale Pestizide auswerten lassen und Verstöße sowie deren Verursacher veröffentlichen.

Eine Sprecherin des Bundeslandwirtschaftsministeriums sagte, man kenne das Problem und gehe "aktiv an". Handel und der Umgang mit nicht zugelassenen Pflanzenschutzmitteln dürften "nicht toleriert werden." Verstöße seien aber die Ausnahme. Seit 2004 gebe es ein Kontrollprogramm von Bund und Ländern, seit zwei Jahren eine Arbeitsgruppe von Bund, Ländern und Verbänden zur Verhinderung illegaler Einfuhren. Die Länder sind für Kontrollen zuständig.

Der Deutsche Bauernverband warnte vor Pauschalkritik. Es gebe zum Beispiel Projekte mit dem Lebensmittelhandel zum geringeren Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, sagte Sprecher Michael Lohse. Was nicht zugelassen sei, dürfe allerdings auch nicht angewendet werden.

lub/chs/AP/dpa

Korrektur: In einer früheren Version dieses Artikels fand sich aufgrund eines Fehlers zum Teil abweichendes Zahlenmaterial. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.>


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Spiegel online

24.11.2008: <Pestizide: Weintrauben in Deutschland besonders stark belastet>

aus: spiegel online 24.11.2008; http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,592401,00.html

<Weintrauben: "Die Deutschen bekommen das mieseste Obst auf den Teller".

Niederlande, Frankreich, Italien: Überall sind Weintrauben im Schnitt weniger stark mit Pestiziden belastet als in Deutschland. Das behaupten jedenfalls die Umweltschützer von Greenpeace. Sie warnen: Fast jede zweite getestete Probe sei "nicht empfehlenswert".

"Die Deutschen bekommen das mieseste Obst auf den Teller", beklagte Greenpeace-Chemieexperte Manfred Krautter bei der Vorstellung aktueller Testergebnisse, die im Auftrag der Organisation ermittelt worden waren. Die Pestizidbelastungen seien teils so hoch, dass gerade bei Kindern Gesundheitsschäden auftreten könnten. Im Test überschritten acht von 124 getesteten Trauben-Proben die EU-Höchstwerte, davon zwei aus dem deutschen Handel.

Greenpeace hält die seit September geltenden EU-Grenzwerte für nicht ausreichend, da die Grenzen für jedes einzelne Pestizid ausgereizt werden könnten, ohne dass sich dies bei einer Mehrfachbelastung aufaddiere, sagte Krautter. Bei 43 Prozent der in Deutschland getesteten Trauben seien die Werte so hoch, dass sie von Greenpeace als "nicht empfehlenswert" eingestuft werden.

Das sei ein mehr als doppelt so hoher Anteil wie in den benachbarten Niederlanden. Damit seien die Rückstände an Spritzmitteln gegenüber einem Vergleichstest von 2007 erheblich angestiegen. Die Trauben wurden Mitte Oktober eingekauft und auf mehr 300 Pestizidwirkstoffe untersucht. Im Durchschnitt fand das Labor in jeder der Proben aus Deutschland, den Niederlanden sowie Frankreich, Italien und Ungarn sieben verschiedene Pestizide. Das sei "ein gefährlicher Chemiecocktail", warnte Krautter. Insgesamt habe man 64 verschiedene Pestizide aufgespürt.

In der vergangenen Woche hatte Greenpeace bereits von türkischen Tafeltrauben abgeraten, die von der Supermarktkette Real vertrieben werden. Gleichzeitig stellte die Umweltschutzorganisation Strafanzeige gegen den Mutterkonzern Metro.

Am besten habe noch die Ware aus den Regalen von Lidl Deutschland sowie der niederländischen Handelsketten C1000 und Coop abgeschnitten. Die stärkste Pestizidbelastung im internationalen Vergleich von 17 Supermarktketten wiesen demnach Früchte aus dem Angebot von Kaiser's Tengelmann und Edeka auf.

Edeka-Sprecher Gernot Kasel hält auf Anfrage von SPIEGEL ONLINE dagegen: "Bei keiner der fünf bei uns gekauften Proben wurden die gesetzlichen Grenzwerte überschritten. Das ist für uns entscheidend."

Auch die Herkunft der Trauben spielt eine Rolle: In der Türkei oder in Italien angebaute Trauben waren dem Test zufolge deutlich stärker belastet als Ware aus Spanien, Frankreich oder Griechenland.

Der Handel müsse sicherstellen, dass keine gefährlichen Pestizide in der Produktion eingesetzt und möglichst rückstandsfreie Lebensmittel verkauft würden, forderte Greenpeace.

2005 und 2006 hatte Greenpeace bei etwa 50 Prozent der untersuchten Weintrauben zu hohe Pestizidwerte festgestellt. 2007 waren es nur 8 Prozent. Als eine mögliche Erklärung für den neuerlichen Anstieg der Werte nannte Greenpeace den Preiskampf im Lebensmittelhandel, der in Deutschland besonders stark sei.

chs/AFP/AP/dpa>

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Spiegel
                  online

23.12.2008: <Pestizide: Gift-Weine trüben Frankreichs Weingeschäft>

aus: spiegel online, 23.12.2008;
http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,597922,00.html

<von Stefan Simons, Bordeaux

Pestizidrückstände, tausendfach höher als im Trinkwasser erlaubt: In Frankreich wurde hochgiftige Chemie in Weinen entdeckt. Die Branche spielt die Gefahren herunter, die Behörden verweisen auf nicht vorhandene Grenzwert. Die Winzer fürchten nun um ihr lukratives Geschäft.

"Eine rubinrote Farbe, das Aroma von schwarzer Johannisbeere und Blaubeere", sagt Arnaud Thomassin und lässt im Verkaufsraum oberhalb seines Anwesens den 2007-Jahrgang "Château de France" durch das Glas kreisen. Der Weinbauer, dessen Familienbetrieb zur renommierten Lage Pessac-Léognan gehört, nippt noch einmal, spitzt den Mund zum Gurgeln und verkündet: "Ein voller Geschmack rund, lebhaft."

Rhetorisches Klingeln gehört zum Geschäft, wenn Winzer die geschmacklichen Charakteristika und die olfaktorische Palette ihrer Spitzengewächse in Worte fassen. Die Poesie umfasst freilich nicht immer den ganzen Inhalt der Flaschen aus der Region zwischen Médoc, Graves und Saint Émillion. Hinter manchen der prestigeträchtigen Etiketten verbergen sich noch andere, weniger appetitliche Spuren - etwa: Carbendazim, Azoxystrobin, Procymidon. Denn einige der Weine sind kontaminiert durch Rückstände von Pestiziden, deren Konzentration bis zu tausendfach über den gesetzlichen Grenzwerten für Leitungswasser liegt. Das Problem: Für Wein existieren in Frankreich bislang noch keine verbindlichen Grenzwerte für Pestizide.

Entdeckt wurden die toxischen Substanzen von "Pesticides Action Network Europe" (PAN-Europe), die Weine des Jahrgangs 2002 untersucht hatte. In allen 40 Proben fanden sich Reste von vier bis zehn Pestiziden. Die Stoffe mit den wenig poetischen Namen stammen allesamt aus dem Arsenal der Agro-Chemie. Laut EU-Direktive zu gefährlichen Substanzen gelten die meisten als krebserregend; andere werden als Mutagene eingestuft - Stoffe, die das menschliche Erbgut verändern. Nachgewiesen wurden sie freilich nicht nur in Flaschen aus dem Bordeaux, sondern auch in Weinen aus dem Burgund. Aber auch in Wein aus anderen Ländern: Deutschland, Österreich, Italien, Portugal, Südafrika, Australien und Chile. Nur Weine aus biologischem Anbau erwiesen sich als fast rückstandsfrei.

"Es geht um ein lukratives Business"

Ein Skandal - der jedoch fast ungehört verhallte: Der Allgemeine Verband der landwirtschaftlichen Genossenschaften der Europäischen Union und der Ausschuss der berufsständischen Organisationen Copa-Cogeca reagierte mit einer dürren Verlautbarung, die Zweifel an der Methodik der Untersuchung andeutete. Und in Frankreich, wo unter den zehn beanstandeten Weinen - drei aus dem Burgund, sieben aus dem Bordeaux - immerhin drei Grands Crus mit Flaschenpreisen von über 200 Euro vertreten sind, wird der önologische Gau als Sturm im Weinglas abgetan oder verschwiegen: Winzer giften gegen die Schreckensanalyse als "Botschaft von Bio-Fundis", die Behörden wiegeln ab. Die Publizität der Pestizide passt so gar nicht zum gepflegten Image vom fröhlichen französischen Winzer.

Dabei sind die Fakten bekannt: Der Rebenanbau macht gerade mal drei Prozent der Anbaufläche aus, verbraucht jedoch knapp 20 Prozent der in Frankreich eingesetzten Pestizide. "Die Leute haben Angst", kommentiert Bio-Winzer Nicolas Despagne vom Weingut "Château Maison Blanche" das eisige Schweigen. "Die Analyse hat die ganze Branche aufgeschreckt. Bei den Grands Crus geht es ja nicht nur um einen nationalen Mythos", so der Chef des 40 Hektar großen Familienbetriebes im Gebiet Montagne Saint-Émillion, "es geht vor allem um ein höchst lukratives Business."

Tatsächlich stiegen die Exporte von Wein, Champagner und Spirituosen im vergangenen Jahr auf 9,4 Milliarden Euro; der Rekord verdeckt jedoch, dass gerade die kleineren Betriebe zunehmend unter Druck stehen - wegen veränderter Trinkgewohnheiten, sinkender heimischer Nachfrage und Konkurrenzdruck durch Billigimporte. Und jetzt belastet auch noch die Wirtschaftskrise das Geschäft.

"Der Weinanbau wird heute von großen Gütern bestimmt, die nicht mehr in Privatbesitz sind, sondern zu Großkonzernen gehören", sagt Despagne, Vorstand der Bio-Landwirtschaft für die Region. "Die schmücken sich mit prestigeträchtigen Namen, aber wickeln die Fabrikation nach industriellem Muster ab. Und die Vertreter von Agrar-Chemikalien spielen die Rolle von Dealern, die für jede angebliche Bedrohung der Ernte mit neuen Wundermitteln aufwarten." Deshalb, so der Winzer, "wird der Skandal unter den Teppich gekehrt."

Das Landwirtschaftsministerium versteckt sich seit Anfang des Jahres hinter einer Presseerklärung des für Wein, Gemüse und Blumen zuständigen Wirtschaftsverbandes "Viniflohr". Das staatliche Büro, nach eigener Darstellung bemüht um die "Stärkung der wirtschaftlichen Effizienz", beruft sich auf die Gesetzeslage. Alle nachgewiesenen Substanzen seien für den konventionellen Weinbau zugelassen und orientierten sich an EU-Normen. Und überhaupt: "Die Werte liegen weit unter den autorisierten Höchstgrenzen für Trauben".

"Kein Risiko für den Konsumenten"

"Stimmt", sagt Natalie Lauverjat, vom französischen Verein für "Respekt und Rechte künftiger Generationen" (MDRGF), der maßgeblich an der Untersuchung beteiligt war: "Für Weine existieren nämlich bislang überhaut keine Grenzwerte. Deswegen haben wir uns bei der der Prüfung an den Vorgaben für Leitungswasser orientiert und Schadstoffkonzentration in Mikrogramm pro Liter ausgemacht, die so kein städtisches Wasserwerk unters Volk bringen würde."

Der Agrarverband gibt sich dennoch kämpferisch: "Ein absolut unzulässiger Vergleich", rügt "Viniflohr" und die Föderation der "Großen Weine des Bordeaux" beschließt ihre fast wortgleiche Mitteilung zu den aufgetauchten Rückständen mit dem Hinweis: "Kein Risiko für den Konsumenten."

Vor Ort stellen sich Zweifel ein. Wie die konventionelle Herstellung aussieht, kann man derzeit rund um Bordeaux bestaunen: Hochbeinige Zugmaschinen mit wuchtigen Plastiktanks schieben sich durch die Reben und versprühen weiße Wolken streng riechender Chemikalien. Ganz gesund können die Substanzen nicht sein - in den geschlossenen Traktorkabinen sitzen Fahrer in Schutzanzügen. Der Boden ähnelt einer Mondlandschaft und selbst da, wo die Grasnarbe zwischen den Reben erhalten bleibt, wächst am Fuß der Weinstöcke kein Halm mehr. Junge Setzlinge müssen mit Plastik-Hüllen vor den aggressiven Substanzen - Herbiziden, Fungiziden, Pestiziden - geschützt werden, die bis zur Weinlese immer wieder über den Feldern niedergehen.

Diese Art der Landwirtschaft könnte sich freilich bald erledigt haben. Durch die alarmierenden Ergebnisse aufgeschreckt, will die EU die lange geplanten Grenzewerte für Rückstände im Wein möglichst rasch festschreiben. Doch solange die Richtlinien noch in Arbeit sind, wird weiter fleißig gesprüht. "Ohne die Mittel, die auf dem Markt sind", bekennt Winzer Thomassin, "könnten wir doch gar nicht existieren." Und nach einem weiteren Schluck des "Château de France" meint er treuherzig: "Mir hat mein Wein noch nie geschadet.">

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Pestizid-Fanta 6.1.2009: <Experten warnen. Pestizide in Orangenlimonaden>

aus: 20 minuten online, 6.1.2009;
http://www.20min.ch/news/kreuz_und_quer/story/14025755

<von Deborah Rast

Spanische Forscher haben in ganz Europa Orangenlimonaden untersucht und diverse Pestizide entdeckt. Coca-Cola Schweiz beruhigt: Alles sei sicher.

Im Schweizer Fanta wurden vier verschiedene Pestizide gefunden. In der britischen Presse tobt die Fanta-Schlacht. Grund: Am stärksten mit Pestiziden belastet waren die Getränkeproben made by Coca-Cola aus Grossbritannien. Bis zum 300-Fachen des für Trinkwasser erlaubten Wertes an Pestiziden fanden die Forscher. Weniger extrem war der Wert bei dem fruchtsafthaltigen Süssgetränk von Coca-Cola aus der Schweiz: Hier wurde der für Trinkwasser geltende Grenzwert «nur» um das rund Neunfache überschritten, allerdings mit insgesamt vier verschiedenen Pestiziden.

Gerade der Pestizid-Mix könnte laut den Autoren der Studie der Universität ­Jaén aber gefährlich sein; die Wechselwirkung der Stoffe sei wenig erforscht. Anders sieht das die Firma Coca-Cola, die die gefundenen Pestizide für ungefährlich hält: «Es sind sehr geringe Mengen an Pestiziden. Das Getränk ist absolut in­nerhalb der Sicherheitsstandards», so Philipp Bodzenta, Sprecher von Coca-Cola Schweiz. Und der Zürcher Kantonschemiker Rolf Etter beruhigt: Solche Mengen Pestizide seien für die Gesundheit absolut ungefährlich.

Konsumentenschützerin Simonetta Sommaruga dagegen ist über das Ergebnis der Studie schockiert: «Man erwartet nicht im Geringsten, dass Pestizide in Limonaden sind.» Brausen wie Fanta seien gerade bei Kindern sehr beliebt und diese reagierten oft sensibler auf Pestizide als Erwachsene. Ob Coca-Cola nun seine Produktionsme­thoden anpasst oder gar auf Bioorangen umstellt, ist nicht bekannt.>

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Strassburg 13.1.2009: Beschlüsse des EU-Parlaments gegen Pestizide in der Landwirtschaft

aus: 20 minuten online: Hochgiftige Pestizide sollen verschwinden; 13.1.2009;
http://www.20min.ch/news/ausland/story/14192910

<Krebserregende und andere hochgiftige Pestizide sollen vom europäischen Markt verschwinden. Das EU-Parlament stimmte in Strassburg für ein weitgehendes Verbot krebserregender, erbgutverändernder und fortpflanzungsschädigender Substanzen in Pflanzenschutzmitteln.

Zwei Fungizide müssen danach noch in diesem Jahr vom Markt genommen werden, rund 20 weiteren Substanzen werden im Laufe des kommenden Jahrzehnts von den Feldern verbannt.

Vollständig verboten werden mit der neuen EU-Verordnung krebserregende, erbgutverändernde und fortpflanzungsschädigende Stoffe (KEF-Stoffe) der höchsten Gefahrenkategorie 1. Für Substanzen der Kategorie 2 sind Ausnahmen möglich, wenn ein Verbot zu Ernteausfällen führen würde und keine weniger giftigen Alternativen zur Verfügung stehen.

KEF-Stoffe der niedrigsten Gefahrenstufe 3 werden nur in bestimmten Kombinationen verboten, bei denen Verdacht auf eine Schädigung des Hormonsystems besteht. Darüberhinaus wird die EU-Kommission verpflichtet, binnen vier Jahren eine Liste aller für das Hormonsystem potenziell gefährlichen Stoffe aufzustellen, die dann ebenfalls verboten werden sollen.

Schutz für Bienen

Zudem soll vor der Zulassung von Insektiziden, Herbiziden und Fungiziden künftig auch deren Wirkung auf Bienen überprüft werden. Hintergrund ist das massive Bienensterben im vergangenen Frühjahr. Allein in Deutschland gingen damals mehr als 300 Millionen Bienen ein, nachdem mit der Chemikalie Clothianidin behandelter Mais ausgesät worden war. Pflanzenschutzmittel, die Clothianidin enthalten, dürften demzufolge nach Ablauf ihrer derzeit gültigen Genehmigung keine Neuzulassung erhalten.

Nach Angaben der Grünen-Europaabgeordneten Hiltrud Breyer, die das Dossier für das Parlament betreute, werden mit der neuen Verordnung rund fünf Prozent der heute 400 erlaubten Wirkstoffe für Pflanzenschutzmittel vom Markt verschwinden. Wenn die derzeit gültigen Zulassungen auslaufen, dürfen sie nach der Verordnung nicht mehr erneuert worden. Da Pestizide jeweils für einen Zeitraum von zehn Jahren genehmigt werden, laufen die letzten noch vor Inkrafftreten der Verordnung gewährten Zulassungen im Januar 2019 aus.

Neben dem Verbot besonders gesundheitsschädlicher Inhaltsstoffe verabschiedete das EU-Parlament am Dienstag auch Vorschriften für die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln. Das Versprühen von Pestiziden per Flugzeug ist danach nur noch in Ausnahmefällen erlaubt. Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in der Nähe von Spielplätzen, Schulhöfen und Krankenhäusern muss «minimiert oder verboten» werden.

Quelle: AP>


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Spiegel online

14.1.2009: <Pestizid-Verbot in EU: Umweltschützer sprechen von "Sieg der Giftlobby">

aus: spiegel online 14.1.2009; http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,601167,00.html

<Sprühflugzeug in den USA: In der EU dürfen Pestizide künftig nicht mehr aus der Luft ausgebracht werden.

Das Europäische Parlament hat 22 besonders gefährliche Pestizide verboten, die Krebs auslösen oder das Erbgut schädigen können. Weil zugleich Ausnahmen erlaubt sind, kritisieren Umweltschützer die Pestizidverordnung als unzureichend.

"Sternstunde für Europa" oder "Sieg der Giftlobby"? Die Meinungen über die verschärften Auflagen der EU für Pflanzenschutzmittel gehen weit auseinander. Am Dienstag hatte das Europäische Parlament nach zweieinhalbjährigen Verhandlungen neue Vorschriften für die Zulassung und den Einsatz von Pestiziden beschlossen. Krebserregende und erbgutschädigende Wirkstoffe werden ebenso verboten wie Substanzen, die die Fortpflanzungsfähigkeit schädigen.

Zwei besonders gefährliche Fungizide sollen bereits 2009 aus dem Verkehr gezogen werden. Rund 20 andere Substanzen werden nach und nach bis zum Jahre 2018 verboten - jeweils nach Ablauf der Zulassung. Für fünf Jahre können allerdings Ausnahmegenehmigungen erteilt werden, etwa wenn ganze Ernten durch einen bestimmten Schädling gefährdet sind und es keine nicht-chemischen Alternativen zur Bekämpfung gibt. Das Versprühen der Chemikalien aus der Luft ist künftig grundsätzlich verboten.

Die Europaabgeordneten sind mit dem neuen Gesetzeswerk zufrieden. Berichterstatterin Hiltrud Breyer sprach von "einer Sternstunde für Europa". "Gerade vor dem Hintergrund des massiven Lobbydrucks von Pestizidindustrie und Landwirtschaftsvertretern, die noch bis zuletzt die Verbote aufweichen wollten, ist die Abstimmung ein Riesenerfolg", jubelte sie. Noch enthalte 49 Prozent allen Obstes, Gemüses und Getreides in der EU einen "Pestizidcocktail" - so viel wie noch nie. Zuletzt waren erhöhte Pestizide in Wein entdeckt worden. In Frankreich mussten Winzer sogar Umsatzeinbußen hinnehmen.

Scharfe Kritik kam von Umweltschützern. "Der Gift-Lobby ist es gelungen, die guten Ansätze des EU- Parlamentes zum Schutz der Umwelt und der Verbraucher auszuhöhlen", sagte Greenpeace-Experte Manfred Krautter. "Die Mitgliedstaaten, darunter Deutschland, haben sich bei den Verhandlungen eher auf die Seite der Agroindustrie gestellt." Das neue EU-Pestizidrecht reiche nicht aus, um Verbraucher und Umwelt ausreichend zu schützen. Greenpeace verwies darauf, dass nur 22 von insgesamt 400 heute zugelassenen Mitteln verboten werden sollen. Dies seien zu wenig.

"Unverantwortliche Agrarromantik"

Die Chemieindustrie - wichtige Unternehmen in Deutschland sind etwa Bayer CropScience und BASF - wies den Vorwurf zurück, Lebensmittel in der EU enthielten Gift in gefährlichen Konzentrationen. Ebenso wie Pharmaprodukte zählten Pestizide zu den am strengsten geprüften Chemikalien, betonte der Generaldirektor des Europäischen Pflanzenschutzverbands (ECPA), Friedhelm Schmider. "Tatsache ist, dass die Vorteile für die Gesundheit durch eine ausgewogene Ernährung jedwede Bedenken über Pestizid-Rückstände bei weitem überwiegen."

BASF-Vorstand Stefan Marcinowski warnte vor "unverantwortlicher Agrarromantik". Heute müssten drei Milliarden Menschen mehr als noch Mitte des letzten Jahrhunderts weltweit ernährt werden, sagte der Chemiker und Vizepräsident der Max-Planck-Gesellschaft in München. In 50 Jahren wollten weitere drei Milliarden Menschen satt werden. "Das ist ohne permanente Innovationen wie Pflanzenschutzmittel und biotechnologisch verbessertes Saatgut, welches weltweit bereits auf über 110 Millionen Hektar ausgebracht wird, überhaupt nicht möglich." Für die Landwirte könnten sich in absehbarer Zeit einige schmerzhafte Lücken im Pflanzenschutz auftun, erklärte Volker Koch-Achelpöhler, Hauptgeschäftsführer des Industrieverbands Agrar in Frankfurt. Gefährdet seien zum Beispiel wichtige Mittel gegen Schadpilze im Getreide.

Verbraucherschützer sehen das neue Regelwerk pragmatisch. "Das war längst überfällig", meinte Jutta Jaksche vom Bundesverband der Verbraucherzentralen vzbv. Allein die Verbote giftiger Substanzen brächten für die Verbraucher "konkrete Vorteile". "Worüber sie sich nicht freuen können, sind die Ausnahmeregelungen und Übergangsfristen." Hier werde der vzbv kontrollieren, welche Ausnahmen beispielsweise Deutschland plane. "Und dann werden wir eventuell warnen."

hda/dpa/Reuters>

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Der
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11.3.2011: Europa hat täglich Pestizid-belastete Lebensmittel auf dem Teller: Pestizidrückstände, Zusatzstoffe, Bestandteile von Verpackungen und Plastikbehältern - und die WHO schweigt

aus: Der Standard online: Arte-Doku über Pestizide: Tägliches Gift auf dem Teller; 11.3.2011;
http://derstandard.at/1297820180089/Arte-Doku-ueber-Pestizide-Taegliches-Gift-auf-dem-Teller

<Gibt es eine Verbindung zwischen chemischen Stoffen und chronischen Erkrankungen? Ja, meint die französische Dokumentarfilmerin Marie-Monique Robin (Foto) in "Unser täglich Gift" auf Arte.

Dubiose Machenschaften der Lebensmittelindustrie deckt Marie-Monique Robin in ihrem Dokumentarfilm "Unser täglich Gift" (Dienstag, 20.15 auf Arte) auf.

Wien - Greift Marie-Monique Robin im Supermarkt zu Paradeiser, Paprika und Fertigpizza, tut sie das nicht, um ihren Hunger zu stillen. Die Dokumentarfilmerin schiebt das Wagerl, um Material zu sammeln, das schädliche Auswirkungen chemischer Stoffe auf den menschlichen Organismus belegen soll. Diese Stoffe "sind überall" , sagt Robin in ihrem neuen Dokumentarfilm Unser täglich Gift - zu sehen Dienstag, 20.15 Uhr, auf Arte. "Als Pestizidrückstände auf unserem Obst und Gemüse, als Zusatzstoffe in Lebensmitteln und Fertiggerichten und als Bestandteil von Verpackungen und Plastikbehältern."

Nach Monsanto - mit Gift und Genen schaut die 50-jährige Französin ein weiteres Mal der Lebensmittelindustrie auf den Teller. 2008 beschäftigte sie sich mit den dubiosen Methoden des weltgrößten Agrarkonzerns. Monsanto wurde in zwanzig Ländern ausgestrahlt, das gleichnamige Buch in sechzehn Sprachen übersetzt.

In "Unser täglich Gift" zeigt die Journalistin, dass sich Rückstände dieser Gifte in der Nahrungsmittelkette finden und dass Zulassungsbestimmungen und Höchstgrenzen bei Rückständen fragwürdig sind. Studien für Lebensmittelzusatzstoffe wurden manipuliert, lauten Rechercheergebnisse. Offiziell festgelegte Grenzwerte sind ohne Grundlage. Verfahren dazu stammen zum Teil aus den 1950er-Jahren. Wie die täglich erlaubte Menge an Rückständen gefunden wurde, konnte ihr keiner der Interviewpartner genau sagen. Robin fand es heraus: "Die Zulassungsgenehmigungen für chemische Stoffe basieren auf Studien, die von den chemischen Unternehmen selbst durchgeführt wurden." Laut Weltgesundheitsorganisation werden jährlich ein bis drei Millionen Opfer einer akuten Pestizidvergiftung, mehr als 200.000 Menschen sterben. Größter Verbraucher von Pestiziden in Europa ist Frankreich mit einem jährlichen Konsum von 80.000 Tonnen.

"Gesinnungsethisch instrumentiert"

Das Thema ist brisant, aber Robin nicht unumstritten. Die Verantwortlichen kommen nicht zu Wort, lautete ein Vorwurf zu Monsanto. Zuseher und Leser müssten sich mit ihrer Sicht begnügen: "Gesinnungsethisch instrumentiert", sei ihr Firmenporträt, kritisierte die Frankfurter Allgemeine Zeitung.

In "Unser täglich Gift" geht Robin ähnlich vor: Eine Hypothese steht am Anfang (Es existiert eine Verbindung zwischen chemischen Stoffen und chronischen Krankheiten). Diese wird mit beeindruckendem Rechercheaufwand in Form von Zahlen und Experteninterviews untermauert. Gegner haben kaum Gelegenheit zur Stellungnahme, und wenn, dann um Robin zu bekräftigen. In einer Montage aus Werbefilmen der 1960er- und 1970er-Jahre und Experteninterviews stellt Robin Fakten und Argumente zusammen, mit denen sie die Vorgehensweise der Kontrollinstitutionen als wenig zuverlässig entlarvt. In ein schiefes Licht gerät etwa die Weltgesundheitsorganisation, die Pestizidgrenzwerte von chemischer Stoffe nicht genau hinterfragte. Robin kämpfte sich durch Internet und Archive, die Türen der Industrie öffneten sich nicht.

So bleiben am Ende die Zuschauer auf den Hausverstand angewiesen: Der sagt, dass 140.000 Tonnen allein in Europa versprühte Pestizide ganz sicher nicht sehr gesund sein können. (Doris Priesching, DER STANDARD; Printausgabe, 12./13.3.2011)>

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Standard
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13.10.2011: Pestizide gelangen mit dem Regen in die Flüsse - 38% in hohen Konzentrationen, und Kombinationswirkungen

aus: Standard online: Umweltgifte: Pestizide sind ein grösseres Problem als angenommen; 13.10.2011;
http://derstandard.at/1318461189946/Umweltgifte-Pestizide-sind-ein-groesseres-Problem-als-angenommen

<Studie untersuchte 500 organische Substanzen in Einzugsgebieten von vier großen europäischen Flüssen - 38 Prozent davon kommen in hohen Konzentrationen vor. Die Donau war eine der vier untersuchten Flüsse. Die Wasseranalyse zeigte eine Kontamination mit zahlreichen Substanzen, bei denen Wirkungen auf Organismen nicht auszuschließen sind.

Leipzig - Pestizide richten in der Natur größere Schäden an als bisher angenommen. Wissenschafter haben in einer aktuellen Studie Daten zu 500 organischen Substanzen in den Einzugsgebieten von vier großen europäischen Flüssen ausgewertet. Dabei zeigte sich, dass 38 Prozent dieser Chemikalien in Konzentrationen vorkommen, bei denen Wirkungen auf Organismen nicht auszuschließen sind. Das Ergebnis zeige klar, dass die Verschmutzung mit organischen Chemikalien ein europaweites Problem sei, schreiben Wissenschafter im Fachmagazin "Science of the Total Environment".

Die meisten der Substanzen, die in der in der Studie als Risiko für die Umwelt eingestuft wurden, waren Pestizide, deren Mehrzahl sich nicht auf der europäischen Liste prioritärer Stoffe findet, welche regelmäßig überwacht werden müssen. Deshalb sei eine Überarbeitung der Chemikalienliste, die die EU-Wasserrahmenrichtlinie den nationalen Behörden zur Beobachtung vorschreibt, dringend notwendig.

Prioritätenliste

Ziel der EU-Wasserrahmenrichtlinie ist es, dass Oberflächengewässer und Grundwasserkörper bis 2015 einen guten ökologischen und chemischen Zustand erreichen sollen. Der chemische Zustand wird anhand einer Liste bewertet, auf der 33 sogenannte prioritäre Schadstoffe aufgeführt sind. Da insgesamt über 14 Millionen Chemikalien auf dem Markt sind und davon über 100.000 im industriellen Maßstab produziert werden, müssen sich die Behörden bei ihren Kontrollen auf eine überschaubare Anzahl an Schadstoffe beschränken. Europaweit arbeiten Wissenschafter daher an Methoden, um herauszufinden, welche Stoffe das sein sollten.

Einen wichtigen Beitrag dazu leistet jetzt die Studie, die Wissenschafter des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) zusammen mit Kollegen in Frankreich, der Slowakei, Belgien und Spanien erstellt haben. Dazu werteten sie eine Datenbank aus, die im Rahmen des EU-Forschungsprojektes MODELKEY entstanden ist und die fünf Millionen Einträge zu physiko-chemischen Daten enthält. Der Schwerpunkt der Arbeit lag dabei auf den organischen Schadstoffen, die bei über 750.000 Wasseranalysen in den Einzugsgebieten der Flüsse Elbe (Tschechien/Deutschland), Donau (10 Europäische Anrainerstaaten), Schelde (Belgien), und des Llobregat (Spanien) registriert wurden. Der Europäischen Kommission zufolge handelt es sich dabei um die erste Studie, die ein System entwickelt hat, das organische Schadstoffe nach Bewertungskriterien und Handlungsbedarf klassifiziert.

Häufige Weichmacher

Eine der am häufigsten registrierten Verbindungen war Diethylhexylphthalat (DEHP), ein Weichmacher aus der Chemieproduktion, der die Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtigen kann und daher ab 2015 in der EU verboten ist. Daneben folgen mit Bisphenol A (BPA) ein weiterer Weichmacher, der ebenfalls als fortpflanzungsschädigend gilt, sowie mit Diclofenac und Ibuprofen zwei Arzneistoffe, die häufig in Schmerzmitteln eingesetzt werden.

Insgesamt stuften die Wissenschafter 73 Verbindungen als potenzielle prioritäre Schadstoffe ein. Rund zwei Drittel davon sind Pestizide, also so genannte Pflanzenschutzmittel, die in der Landwirtschaft eingesetzt werden, um die Kulturen vor Krankheiten, Schädlingen oder Unkräutern zu schützen. Die problematischsten Pestizide waren dabei Diazinon, das in Deutschland und Österreich bereits nicht mehr zugelassen ist, und die in Mitteleuropa erlaubten Stoffe Azoxystrobin und Terbuthylazin. "Beide Pestizide stehen nicht auf der Liste der 33 prioritären Schadstoffe, die die Behörden EU-weit kontrollieren müssen", erklärt der UFZ-Forscher Peter von der Ohe. "Terbuthylazin ist strukturell sehr ähnlich den beiden prioritären Stoffen Simazin und Atrazin, die längst nicht mehr zugelassen sind. Dies ist ein Beispiel wie kleine Änderungen der chemischen Struktur zu einer scheinbaren Verbesserung des chemischen Zustands führen, ohne dass die Gefährdung für aquatische Ökosysteme tatsächlich abnimmt."

Die Wissenschafter halten daher die regelmäßige Überarbeitung der Liste prioritärer Stoffe für sehr wichtig. Die Mehrzahl der aktuell problematischen Stoffe ist nicht gelistet, während eine ganze Reihe der überwachten Chemikalien längst verboten und nicht mehr im Gebrauch ist. "Überrascht waren wir auch, dass Substanzen, die bisher als harmlos eingestuft wurden wie HHCB, das als synthetischer Moschus-Duftstoff in Körperpflegemitteln eingesetzt wird, in der Umwelt in bedenklichen Konzentrationen vorkommen", ergänzt Werner Brack vom UFZ, der die Europäische Kommission in verschiedenen Gremien und Projekten bei der Überarbeitung der Schadstoffliste berät. "Aus unserer Sicht sollte bei der Weiterentwicklung der Wasserrahmenrichtlinie darauf geachtet werden, dass in Zukunft nicht nur das Vorkommen von chemischen Stoffen beobachtet wird, sondern auch deren Wirkungen registriert werden", schlägt Brack vor.

Erste Erfolge

Bei aller Kritik, dass die Wasserbehörden in Europa zurzeit den Pestiziden zu wenig Aufmerksamkeit widmen und die prioritäre Schadstoffliste überarbeitet werden sollte, zeigt die Studie nach Meinung der Wissenschafter auch erste Erfolge der Wasserrahmenrichtlinie. Ein Drittel der von der EU vor einigen Jahren als prioritär eingestuften Schadstoffe stellen inzwischen keine Gefahr mehr für die untersuchten Flüsse dar. (red)


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